„Wie schaffst du das nur, den ganzen Text auswendig zu lernen?“
Das ist wohl die häufigste Frage, die man als Schauspieler gestellt bekommt. Obwohl als Anerkennung oder gar Bewunderung gemeint, gibt es nur eine ganz einfache Antwort. Ich schaffe es, indem ich mich vor und nach den Proben hinsetze und den Text immer und immer wieder lerne. Vermutlich gibt es professionelle Übungen zum Auswendig lernen und jeder hat seine ganz eigenen Methoden, worum es hier aber nicht gehen soll. Am Ende bleibt einem nichts anderes übrig, als seine Zeit zu investieren. Seine Freizeit.
Diese Zeit, meine Zeit, wird nicht zu meiner Arbeitszeit gezählt und ist demnach nicht vergütet. Text lernen ist keine Kunst, Text lernen ist Arbeit und sie gehört zum Beruf des Schauspielers dazu. Aber diese Arbeit wird allgemein als Selbstverständlichkeit und nicht als honorierter Bestandteil des Berufs des Schauspielers gesehen. Dieses kleine Beispiel soll das Thema meiner Masterarbeit einleiten: Eine Bestandsaufnahme
der aktuellen Arbeitsbedingungen eines Schauspielers an einem Stadttheater. Folgende Punkte sollen untersucht werden: Was sind die Missstände im Ensembletheater? Was brauche ich als Schauspieler, um künstlerisch frei arbeiten zu können, welche Gegebenheiten verhindern dies?
Dabei möchte ich das Ensemblenetzwerk vorstellen, welches im Februar 2015 u. a. von Lisa Jopt, Johanna Lucke und Sebastian Rudolph gegründet wurde, mittlerweile als Verein fungiert und sich selbst als „Bewegung, die den Menschen am Theater zu mehr Mündigkeit, Mut, Rückgrat und Inspiration verhelfen will“ beschreibt. Das Ensemblenetzwerk setzt sich aktiv für die Arbeitsbedingungen von Theaterschaffenden
am Stadttheater ein und hat sich in kürzester Zeit als wichtige Arbeitnehmerorganisation neben der bereits vorhanden GDBA (Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger) etabliert.