Der Urheberrechtsstreit im Frühling 2015 um die Castorfer Baal-‐Inszenierung hat mich für ein Konzept interessiert, das regelmäßig die Debatten um das zeitgenössische Theater beherrscht. Das Konzept der Werktreue. Die Aufführung, die am 15. Januar 2015 am Münchner Residenztheater Premiere hatte, wurde schließlich nach einem Vergleich abgesetzt. Der Verlag hatte geklagt, die „Werkeinheit“ sei aufgelöst worden. Der Originaltext sei „nicht-‐autorisiert“ bearbeitet worden. Ohne Absprache habe Castorf Fremdtexte verwendet. Als Schauspielerin wurden für mich die Fragen nach Werktreue und Autorenrechte relevant bei meiner Mitarbeit in der Inszenierung" Der grosse Marsch" von Wolfram Lotz (Regie: Franz-‐ Xaver Mayr). Bei der Bearbeitung stand die Frage im Raum, ob die Veränderungen für den Autor und den Verlag legitim wären. Was aber wäre eine „werkgetreue“ Inszenierung? Wie viele Striche wären erlaubt? Wieviel Fremdtext? Und ist „textgetreu“ gleich „werkgetreu“? Und inwiefern lässt sich der Begriff Werktreue auf die Adaption einer epischen Vorlage anwenden? Bieten möglicherweise Romanadaptionen per se mehr Freiheiten und sind deshalb zunehmend attraktiv für das zeitgenössische Regietheater geworden?