Im Rahmen ihrer Masterthesis geht Milena Sentobe der (Un-)Möglichkeit von diskriminierungs-kritischem Denken und Handeln an Schweizer Gymnasien und in der (Kunst-)Vermittlung nach. Ausgehend von einem Manifest der Schüler:innen-Bewegung «Bildung ohne Sexismus» entwickelte die Autorin ein Interesse daran, ihre queerfeministisch-intersektionale Perspektive, mit der sie seit mehr als zehn Jahren in ihrer künstlerischen und politischen Praxis arbeitet, aktiver in ihrer kunstvermittlerischen Tätigkeit mitzudenken. Um eine mehrstimmige Auseinandersetzung mit diesem Thema zu ermöglichen, entschied Milena Sentobe sich dafür, Roundtable-Gespräche im Rahmen von zwei Radiosendungen des Online-Radios Megahex zu organisieren. Diese Radiosendungen bildeten zugleich ein experimentelles Setting, um zu erproben, wie diskriminierungskritisch verhandelt, vermittelt und diskutiert werden kann. Gesellschaftlich re-produzierte Unterdrückungsverhältnisse, mehrfach Privilegierung (u.a. der Autorin selbst) und die Macht der Sprache, des Zuhörens und des (Ver-)Schweigens waren in der Erarbeitung und Analyse des Projekts ein zentrales Thema.
Die Rolle der Kunstvermittlung im Bereich Migration: Transfer von Wissen zwischen antirassistischen Theorien und der Praxis als weisse Kunstvermittlerin
Im Fokus der Masterarbeit steht eine von der Autorin organisierte, gestalterische Projektwoche für/mit Jugendlichen mit und ohne Fluchterfahrung. Theoretisches Fundament bilden Auseinandersetzungen mit kritischen Diskursen zu: Rassismus & Othering-Prozessen, Postkolonialismus, Critical Whiteness, Kritik am Freiwilligendienst und am Antimuslimischem Rassismus.
Die Arbeit beschreibt dabei Wechselwirkung zwischen theoretischer Auseinandersetzung und erprobter Vermittlungspraxis. Die Autorin – selbst in einer privilegierten Position – muss sich der Frage nach möglichen adäquaten und kritischen Umgangsweisen mit ihrer Rolle als weisse Kunstvermittlerin stellen. Den Prozess hin zum Rassismus-kritischen Denken beschreibt Laura Hew in ihrer Thesis als eine Bewegung durch ein Labyrinth. Diese Rassismus-kritische Reise ist dabei von Irrwegen geprägt: Erprobte Denk und Handlungsmöglichkeiten entpuppen sich als Sackgassen; Entscheidungen werden getroffen und anschliessend als Widersprüchlich verworfen; häufig gibt es kein Weiterkommen, sondern ein Zurückgehen/-treten, den Weg erneut nehmen. Je länger sich die Autorin im Labyrinth bewegt, desto klarer wird: Es gibt keinen Ausweg aus dieser labyrinthischen Situation. Die einzige Möglichkeit ist sich darin zurechtzufinden mitsamt aller Unsicherheiten und ganz im Sinne von «getting comfortable being uncomfortable».
Über das Nachdenken anhand zweier theoretischer Positionen, einem Fallbeispiel und einer künstlerisch-explorativen Untersuchung im Rahmen ihrer schriftlichen und künstlerischen Masterarbeit, setzte sich Bianca Dugaro das Ziel, sich zu ihren unterschiedlichen Rollen als Mutter, Studentin und Künstlerin zu positionieren und diese gleichzeitig zu befragen.
Der Alltag der Autorin ist durch die jeweiligen Bedingungsgefüge dieser Rollen von ständigen Verhandlungen und Ressourcenfragen geprägt, von Aushandlungen von Bedürfnissen aller Beteiligten, innerhalb und ausserhalb der Familie. Der Löwenzahn, der für die Einen ein hartnäckiges Unkraut darstellt, für andere als Heilpflanze gilt und zur Freude der Autorin überall wächst, diente ihr dabei als Spiegel, an dem sie Wechselwirkungen und Spannungsfelder zwischen Lebewesen und ihren Bedingungen untersuchte. So fragte sie sich: was kann ich von ihm lernen? Anhand Kutis’ historischer Aufarbeitung, zeichnete Bianca Dugaro nach, wie Künstlerinnen mit ihrer Situation als Mutter in den 1970er-Jahren umgingen. Die Bedingungen unter denen Künstlereltern heute arbeiten, haben sich allerdings verändert. Das isolierte Atelier, in dem das «Genie» in Ruhe und geschützt von der Aussenwelt arbeiten konnte, wird zum post-atelier. Zeitgenössische Künstler:innen, die ihre Rolle als Eltern oder Fürsorgende in ihren Arbeiten thematisieren, bezeichnet Binaca Dugaro deshalb mit Kutis als «Artist-Parents». Die Küche wird dabei zum Atelier. Aufzeichnungen gemeinsamer alltäglicher Situation am Familientisch dienen ihr als Ausgangsmaterial. Auf der Grundlage von Videostills, die eine Totale und eine Detailansicht ermöglichen, stellt sie Kohlezeichnungen her und überlagert diese mit dem Originalbild. Die repetitive Handlung wird durch die Zeichnungen als Produktionsweise sichtbar. Die Künstlerin erstellt eine Zeichnung nach der anderen und denkt dabei über die Konstellationen im Bild nach. Es ist ein Versuch, ihren Alltag, die Fürsorge und die Kunst zusammenzubringen.
Einige Völkerkundemuseen in Deutschland benennen sich in letzter Zeit um. Das ehemalige «Staatliche Museum für Völkerkunde» in München heisst jetzt «Museum Fünf Kontinente», das frühere «Museum für Völkerkunde» in Frankfurt/Main «Weltkulturen Museum» und das damalige «Hamburgische Museum für Völkerkunde» «MARKK». Diese Neupositionierung ethnografischer Museen, ihre Auseinandersetzung mit ihrem kolonialen Erbe, ihren Gründungsgeschichten und den Geschichten des Zeigens und Vermittelns der Objekte «anderer» Kulturen, die häufig unter ethisch fragwürdigen Umständen in ihre Sammlungen gelangt sind, ist ein aktuell sehr relevantes Thema. Was bedeutet das für den Bildungsauftrag der Institutionen? Und wie geht man in der Vermittlung damit um?
Seit 2020 ist Rilando June Lamadjido als Kuratorin für Vermittlung, Bildung und Publikumsarbeit am MARKK tätig. Mit Fokus auf ihre Arbeit dort zeigt sie, was diese Neupositionierung für die Vermittlung im MARKK bedeutet. Welche neue Funktion hat sie? Welche neuen Potenziale können geschaffen werden? Welchen Handlungsraum gibt es? Dafür erarbeitet sie in ihrer Masterthesis die Grundlagen und zwei Konzepte für eine dekolonisierende Vermittlungsarbeit am Museum.
Mentorin: Dr. Nora Landkammer
Ko-Referentin: Prof. Angeli Sachs
This master thesis deals with elements that are considered important in exhibitions with a biographical approach. The questions which the research is based on are: What can a biographical object reveal about a person? What are the curatorial strategies and concepts that can be implemented to create a narrative in a biographical exhibition, in which different identities, social positions and relationships with others are presented?
In the practice-oriented part, the essential components and findings of the theoretical framework are presented in the form of an exhibition concept. “Pause to Remember” is an exhibition that functions as a unique, musical and artistic journey through Wales. The focus of this exhibition is David Arthur Rogers and Violet Mary née Mac Millan and the things they left behind. Gemma Pepper, the granddaughter of David Arthur and Violet Mary, takes on the role of author, curator and artist, resulting in a multiple perspective of the work. Through the presentation of biographically significant objects, artworks and contemporary photography, an attempt is made to reconstruct the identities of two people who spent their lives in Wales.
Mentor: Paolo Bianchi
Ko-Referent: Dr. Heiko Schmid
Welche dekolonisierenden Strategien zeichnen sich im kuratorischen Umgang mit ethnographischen Fotografien ab? Im Zuge der aktuellen Umstrukturierungen ethnographischer Archive und den damit einhergehenden gewünschten musealen Neuverortungen, erörtert die Masterthesis «Against the Colonial Gaze» (2020) kuratorisch-künstlerische Strategien, deren Intentionen darin bestehen, dekolonisierende Methoden für das Ausstellen von ebensolchen schwierigen Bildarchäologien zu entwickeln.
Vor dem Hintergrund der gegenwärtigen europäischen Krise der Völkerkundemuseen sowie anhand der Ausstellung «Fiktion Kongo» (2019–2020) am Museum Rietberg werden dabei vordergründig die anthropologischen Komplexitäten fotografischer Bilder dechiffriert sowie zeitgenössische, künstlerische Forschungsmethoden auf ihr dekolonisierendes Potenzial hin zur Diskussion gestellt. Die darin verortete Auseinandersetzung mit den fotografischen Bildkonvoluten des Kunstethnologen Hans Himmelheber untersucht dabei, auf welche Weise(n) ethnographische Fotografien zu Beginn des 20. Jahrhunderts dazu beitrugen, koloniale Interessen zu rechtfertigen.
Mentor: Dr. Sønke Gau
Ko-Referent: Prof. Thomas Sieber
Die Ausstellung «DEAR2050: Humans respond to Climate Change» und die theoretische Arbeit beschäftigen sich mit der Verknüpfung von ökologischen Denkmodellen mit aktivistischer kuratorischer Praxis in Ausstellungen über den Klimawandel und erarbeiten so ein vertieftes Verständnis einer möglichen sozio-kulturellen Reaktion auf die Bedingungen unserer Zeit.
Die Arbeit bietet eine Sammlung an konzeptionellen Werkzeugen für die kritische Auseinandersetzung mit Ausstellungsprojekten, Vermittlungsansätzen und kuratorischen Lehrmeinungen zum Klimawandel. Sie untersucht, wie sich die Orientierung an Konzepten des ökologischen Denkens, deren queer-feministische, posthumanistische, postkolonialistische und postmodernistische Strömungen und deren Idee der Multispezies-Gerechtigkeit eine Abkehr vom bestehenden anthropozentrischen, dualistischen Weltverständnis der Moderne ermöglicht. So bildet die kuratorische Praxis einen Zugang zum Klimawandel, der sowohl individuelle als auch kollektive Handlungsmacht befördert.
Mentorin: Prof. Angeli Sachs
Ko-Referentin: Dr. Nora Landkammer
Deborah von Wartburgs Masterarbeit setzt sich in Form eines Theaterstücks künstlerisch mit der Thematik von Postdemokratie und Öffentlichkeit auseinander.
Schauplatz des Stücks ist eine Zukunft, in der politische Änderungen datenbasiert berechnet und vorgeschlagen werden. Menschen müssen diesen Vorschlägen nur noch zustimmen oder sie ablehnen. Eine Werbeagentur entwickelt eine Politikerfigur, welche die politische Entscheidungsfindung zurück zu den Menschen holen will. Die Figur stösst auf Interesse und bekommt populistische Züge. Die Hauptprotagonistin Marie, die auch Teil des Werbeteams ist, bekommt im Laufe der Entwicklung Zweifel an dem Projekt.
Deborah von Wartburg geht im Rahmen des Theaterstücks der Frage nach, wie viel Mensch eine Demokratie verträgt und wie viel Mensch sie braucht. Und auch, ob der Mensch die Politik vielleicht mehr braucht als umgekehrt.
Im Rahmen ihrer Masterthesis setzt sich Marija Zivojinovic mit dem Material PET (Polyethylenterephthalat) auseinander. Abseits des regulären Recycling-Kreislaufs von PET entstehen Objekte, die den Themen Sammeln, Entsorgen, Verwerten und Umwerten diskursiv begegnen. Im Fokus steht der «agentische» Status des umweltbelastenden Materials, indem Material-Momente der Irritation, Unsicherheit und des Widerstands beschrieben werden. Ein Kerninteresse der theoretischen als auch künstlerischen Auseinandersetzung ist der eigentümlichen Performativität des Materials nachzugehen und dessen Widerständigkeit als Arbeitsmaterial zu befragen.
PET-Flaschen-Konstruktionen werden zu Denkfiguren und Metaphern indem ihre materiell-formalen Umstülpungen und damit verknüpfte Konzepte zur Disposition gestellt werden. Es werden Fragen zur Durchführbarkeit verlustfreier Recycling-Kreisläufe, der Appropriation oder nachhaltiger Materialität in der Kunst angeregt.
Die Arbeit befindet sich noch im Produktions-/Schreibprozess und wird Ende August abgeschlossen. Der Titel ist ein Arbeitstitel.
Mit der (Film-)Kamera macht sich Lara Rubin auf die Suche nach einer Erzählung, die im Familienkreis kursiert und sich zwischen Wunsch und Wahrheit bewegt. Es eröffnet sich ein Feld voller (vermeintlicher) Wiedersprüche: Zwischen Faktum und Fiktion, zwischen Privatem und Öffentlichem, zwischen Vergangenem und dem Jetzt.
Lara Rubin bezieht sich auf Konzepte aus den Bereichen Geschichte, Kunstgeschichte, Filmwissenschaft und der filmischen Praxis. Diese bieten ihr das entsprechende Werkzeug, um aufgeworfene Fragestellungen ihrer recherchierend-suchenden Praxis zu verhandeln, zu differenzieren und zu vertiefen.
Die dabei generierten Fragen beziehen sich auf die Familienerzählung selbst, aber auch auf eine mögliche (künstlerische) Verarbeitung der Erzählung. Was passiert, wenn die Kamera auf die eigene Familie und das Selbst gerichtet wird?
Die Anwesenheit der Kamera wandelt die Realität und diese wird wiederum durch die entstandenen Bilder verändert. Grenzen zwischen Beobachtender und Beobachtetem werden unscharf. (Bewegte) Bilder sind nicht nur auf das, was sie repräsentieren zu untersuchen, sondern auch auf ihren Ausdruck, auf ihre Form.
Innerhalb ihrer Masterarbeit nähert sich Juliette Uzor Konzepten und Begriffen wie «Background», «Verhältniswörter», «Position», «Rhythmus» und «Dancing Tables» theoretisch sowie physisch-körperlich an. Der Ausgangspunkt ist dabei der eigene Körper und die jeweiligen Bezugspunkte, entlang derer sich dieser Körper bewegt. Ein Kerninteresse der Thesis ist das Verhältnis zwischen dem starren, kategorisierten Körper und einem sinnlichen, dynamischen Körper, der gleichzeitig von seiner Umwelt orientiert wird und diese mit-orientiert, zu befragen.
Neben der Beschäftigung mit theoretischen Stimmen und Perspektiven organisiert Juliette Uzor «kollektive Bewegungssessions» mit Freund:innen. Die Treffen haben einen experimentellen, sinnlichen Ansatz. Sie widmen sich spezifischen Bewegungskriterien, welche Uzor als Feldnotizen aufzeichnet und während und nach den Sessions reflektiert.
An der Bewegung interessieren die Autorin der Thesis phänomenologische aber auch politische Aspekte. Sie vertritt eine feministische und nicht-weisse Perspektive und möchte diese Ausgangslage als politisches und ästhetisches Potential nutzen, um durch die Bewegung der Körper normierte Strukturen und Machtverhältnisse zu durchqueren. Diese Position auch in Kontexten der Kunstvermittlung zu vertreten und eine entsprechende kritische künstlerisch-pädagogische Praxis zu vermitteln ist für die Autorin von grosser Wichtigkeit.
Die Arbeit befindet sich noch im Produktions-/Schreibprozess und wird Ende August abgeschlossen. Der Titel ist ein Arbeitstitel.