Die historischen Diagramme zu Ton- und Farbsystemen werden im Projekt «Sound Colour Space» musikalisch und kompositorisch bearbeitet. Zwei Kompositionen nutzen die hinter den Diagrammen stehenden mathematischen Prinzipien und erschaffen nach diesen Klänge und Farbverläufe und steuern Abspielgeräte.
Die programmierten Tonhöhen-Diagramme des virtuellen Museums dienen bei dieser Performance als Steuerungsmodule für eine interaktive Klangerzeugung. Es wurden im Virtual Lab Diagramme programmiert, bei denen verschiedene Tonhöhensysteme dargestellt und in einem Webbrowser interaktiv hörbar gemacht werden können. Zusätzlich zur Vertonung mit Webaudio direkt im Browser sind die Diagramme in der Lage, Daten (OSC) an andere Musikprogramme und Anwendungen zu verschicken. Die Sonifizierung eines Diagramms aus dem Compendium Musicae von René Descartes (Hexachords, Amsterdam 1656) wurde dafür beispielhaft ausgewählt. Die Komposition entsteht im Kollektiv: Die Teilnehmer wählen sich mit ihren mobilen Devices in ein für die Performance eingerichtetes lokales Netzwerk ein und befolgen die Anweisungen auf der angewählten Website. Die Interaktionen der Teilnehmer mit dem Diagramm werden an einen zentralen Rechner übermittelt. Dort werden sie wiederum über das Wifi-Netzwerk an im Raum verteilte Minicomputer weitergeleitet und mit verschiedenen Patterns und Klangsynthesetechniken zum Erklingen gebracht. Der Klangraum des Hexachord-Systems nach Descartes wird so für den Zuhörer erlebbar.
Diese Komposition basiert auf der Dreiecksdarstellung der pythagoreischen Tetraktys durch zehn Punkte, welche den Tonhöhenbeziehungen im pythagoreischen Tonsystem zugrunde liegt. Um die mathematischen Interessen der Forschungsgruppe Sound Colour Space an klanglichen und farblichen Beziehungen in einer künstlerischen Performance zu vereinen, wurde die Verwendung gefärbten Lichts in die Komposition integriert.
Das Tetraktys-Modell dient als algorithmisches Kompositionsprinzip, wobei die drei Perspektiven auf das Dreieck nicht nur die Grundlage für Dauern, Tonhöhen und Farben bereitstellen, sondern auch direkt in die Konstruktion des produzierten Klangs einfliessen. Dieser ist aus elementaren Sinustönen, die in den Verhältnissen der Tetraktys stehen, konstruiert. Als tonale Basis wird ein pythagoreisch gestimmtes Tetrachord verwendet.
Um die Farben zu produzieren, wird ein RBGW (Red-Blue-Green-White) 'Wall-Washer' Lichtsystem verwendet, das von der gleichen Software angesteuert wird, die auch den Klang kontrolliert. Dadurch ist Synchronizität gewährleistet. Als Setzpunkte für Farben wurde die aristotelische Siebenfarbenskala (Weiss-Gelb-Rot-Violett-Grün-Blau-Schwarz) um Indigo, Orange und ein verdoppelndes Schwarz ergänzt. Um den automatischen Weissabgleich des Auge/Gehirn-Systems zu umgehen und damit die Intensität der Farbempfindungen zu maximieren, wird gleichzeitig eine Tetraktys aus zehn grauen Punkten vor einem weissen Hintergrund statisch auf eine Wand projiziert.
Die produzierten klanglichen Harmonien und Farben stehen sich in einer polyphonen Komposition gegenüber, in der beide Qualitäten unabhängig voneinander und in Kombination erfahrbar sind.