Ein Treibhaus als Richard-Wagner-Vermittlungsort
Vor und während der Festspiele Zürich präsentierte sich ein Treibhaus in der Zürcher Innenstadt als mobiler Richard-Wagner-Vermittlungsort. Das Projekt «Wagner im Schauhaus», in Kooperation zwischen den Festspielen Zürich und dem Master of Arts in Art Education, ausstellen & vermitteln der ZHdK entstanden, wollte Passanten Einblicke in Richard Wagners Leben und Werk geben, neugierig machen und zum Dialog auffordern. Die von Cristina Kaufmann, Alice McCabe und Sarah Uehlinger konzipierte Ausstellung war in wöchentlichen Etappen an fünf wechselnden Standorten zu sehen und entwickelte sich stetig weiter.
Unter dem Motto «Treibhaus Wagner» liessen die Festspiele Zürich 2013 eine Werkstatt entstehen, in der in den unterschiedlichsten Darstellungsformen über Richard Wagner und seine produktive Zürcher Zeit nachgedacht wurde. «Wagner im Schauhaus», hiess eines der Projekte – ein Treibhaus, das als rund zwölf Quadratmeter grosser, mobiler Richard-Wagner-Vermittlungsort diente. Mit dem Ausstellungskonzept wurden bewusst keine Wagner-Experten, sondern Nachwuchs-Kuratorinnen der Zürcher Hochschule der Künste betraut. Das Projektteam, Cristina Kaufmann, Alice McCabe und Sarah Uehlinger, hatte vor, auf kreative Weise nicht nur Wagner-Liebhaber, sondern insbesondere auch Personen anzusprechen, die nicht zum typischen Opernpublikum gehören und bisher kaum mit Richard Wagner und seinem Werk in Berührung gekommen waren. Wiederkehrende Besucher konnten das Wachstum der Ausstellung mitverfolgen und sich selbst in die Ausstellung einbringen.
Vom «Tristan-Akkord» zum Gesamtkunstwerk
Der Auftakt der Ausstellung trug den Titel «Tristan-Akkord» und war vom 10. bis 16. Juni an der Seepromenade beim Bellevue zu sehen. Der in Wagners «Tristan und Isolde» leitmotivisch verwendete Akkord entzieht sich wegen seiner harmonischen Undurchsichtigkeit einer einfachen, allgemein akzeptierten Deutung und gilt als Inbegriff der Dissonanz. Auch Richard Wagners Leben war voller Widersprüche. Sein Mäandern zwischen Heimatlosigkeit und grossem Freiheitsdrang, zwischen Geldnot, Luxusbedürfnis und der Rolle eines visionären Revolutionärs sowie seine antisemitische Haltung, wurden mittels Karikaturen veranschaulicht. Blieb das Anschauungsmaterial in der ersten Woche noch wortwörtlich an der Oberfläche (des Treibhauses) verhaftet, so öffnete sich das Schauhaus in den Folgewochen zu bestimmten Zeiten für eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Komponisten und seinem Werk. Vom 17. bis 23. Juni tauchten die Besucher auf dem Hechtplatz in eine Wagner-Wasser-Welt mit dem Titel «Richard Wagners Leitmotiv: das rauschende Wasser» ein. Hörproben aus seinem Werk wurden zu besuchten Landschaften, persönlichen Befindlichkeiten und Gefühlsstimmungen in Beziehung gesetzt. In der Woche vom 24. bis 30. Juni machte das Schauhaus am Limmatquai Wagners Vision des Gesamtkunstwerkes sinnlich erlebbar. Musik, Dichtung und Szenografie wurden in ihre Einzelteile zerlegt, um wieder in einem szenografischen Bild zusammenzufliessen.
Vom Schauhaus zum Lautsprecher der Stadt
Laufend fing das Projektteam die Meinung der Stadt über Richard Wagner, das Programm «Treibhaus Wagner» der Festspiele Zürich und das Projekt «Wagner im Schauhaus» im Besonderen ein und ergänzte damit die Inhalte des Schauhauses in der letzten Ausstellungsphase. An den Standorten Pestalozziwiese (1. bis 7. Juli) und Gessnerallee (8. bis 14. Juli) entwickelte sich das «Schauhaus Wagner» so zum Lautsprecher der Stadt und zum Spiegel des Verhältnisses ihrer Einwohner und Gäste zu dieser ebenso umstrittenen wie bewunderten Persönlichkeit, der Zürich einst Asyl gewährte. Inspiriert von Richard Wagners unbändigem Mitteilungsbedürfnis und Sendungsbewusstsein, erweitern die Studentinnen den Radius der Aufmerksamkeit mit einem begleitenden Blog und transportierten damit Richard Wagners Strategien der Selbstverwirklichung in die heutige Zeit. Nach einem grossen Finale am Festspielfest in der Gessnerallee verschwand das Schauhaus ebenso sang- und klanglos aus dem Stadtbild wie einst Wagner nach dem unrühmlichen Ende seiner Affäre mit Mathilde Wesendonck – hoffentlich jedoch nicht ohne Spuren in der Stadt hinterlassen zu haben.
Die Standorte:
10.–16. Juni Seepromenade beim Bellevue: «Tristan-Akkord»
17.–23. Juni Hechtplatz: «Richard Wagners Leitmotiv: das rauschende Wasser»
24.–30. Juni Limmatquai (beim Café Rathaus): «Gesamtkunstwerk: eine Vision»
1.–7. Juli Pestalozziwiese (bei Globus Bahnhofstrasse): «Das Schauhaus als Lautsprecher»
8.–14. Juli Gessnerallee Zürich (Innenhof): «Das Schauhaus als Lautsprecher»